- Schifffahrt: Antriebstechnik und neue Schiffstypen
- Schifffahrt: Antriebstechnik und neue SchiffstypenUm die Jahrhundertwende waren Frachtschiffe mit Kolbendampfmaschinen Standard. Dieser Maschinentyp hatte damals seinen höchsten Entwicklungsstand erreicht und war mit zwei- bis vierfacher Expansion auch relativ energieeffizient. Bei mehrfacher Expansion wird der Dampf, der im Hochdruckzylinder Arbeit geleistet hat, noch einmal oder mehrmals in größeren Zylindern ausgenützt, bis schließlich die Hauptmenge Dampf zu Wasser kondensiert ist.Der Dampf wurde in kohlegefeuerten, nach ihrer Herkunft benannten schottischen Kesseln erzeugt, zylinderförmigen Wasserbehältern, bei denen die heißen Verbrennungsgase durch Rauchrohre zum Kamin geführt wurden und dabei das Wasser erhitzten. Der entstehende Dampf, von moderatem Druck — etwa drei Bar — wurde durch die Rauchgase auf etwa 250 Grad Celsius überhitzt, um die Effizienz zu steigern. Dieser über Jahrzehnte in Tausenden gebaute, zuverlässige Maschinentyp stieß aus verschiedenen Gründen an seine Grenzen: Bei hohen Leistungen wurde der Durchmesser des Niederdruckzylinders zu groß und die ganze Maschine zu schwer; die hin- und hergehenden Massen erzeugten Vibrationen. Auch die Energieausbeute war unbefriedigend. Anfangs versuchte man durch Erhöhung des Drucks und der Dampfüberhitzung den Wirkungsgrad zu steigern. Abdampfturbinen kombinierten Kolbendampfmaschinen mit der damals neuen Turbinentechnologie und sparten mehr als zehn Prozent Brennstoff. Ein neuer Kesseltyp, der Wasserrohrkessel, leistete mehr und sparte erneut Energie. Schweröl begann vor dem Ersten Weltkrieg die arbeitsintensiv zu verfeuernde Kohle abzulösen, zuerst bei britischen Kriegsschiffen, später auch in der zivilen Schifffahrt.Doch eine völlig neue Art der Dampfnutzung gewann nun an Boden: die Dampfturbine. Sie ermöglicht eine effiziente Umsetzung der Energie hochgespannten Dampfes in Antriebsleistung, da sie nur rotierende und keine hin- und hergehenden Teile hat. Turbinen haben allerdings einen Nachteil: Sie laufen viel zu schnell für den Antrieb von Schiffsschrauben. Die Vergrößerung des Durchmessers der Turbinenräder verminderte ihren Hauptvorteil, die effiziente Energieausnutzung. Um die für Schiffsschrauben erforderlichen Drehzahlen von etwa 100 bis 120 pro Minute zu erzielen, wurden — und werden heute auch — Getriebe vorgesehen, bei kleineren Leistungen mechanische, bei größeren in der Regel hydraulische. Wenn keine eigene rückwärts drehende Turbine eingebaut wird, müssen Getriebe meist auch für die Umsteuerung bei Rückwärtsfahrt sorgen, da Dampfturbinen wie Automotoren nur in einer Richtung drehen. Elektrische Kraftübertragung, bei der die Turbine einen Generator antreibt, der einen Elektromotor auf der Hauptwelle speist, hat sich nur bei Spezialschiffen durchgesetzt, für die eine feine Regelung der Schraubenumdrehungen erforderlich ist.Der große Rivale der Dampfturbine — und wohl auch der Sieger im Wettbewerb mit ihr — ist der Dieselmotor. Er hat heute einen Anteil von 75 Prozent aller Hauptantriebe. Moderne Groß-Schiffsdiesel sind meist einfach wirkende Zweitaktmaschinen mit direkter Einspritzung. Ein kompletter Verbrennungszyklus spielt sich bei nur einer Kurbelwellenumdrehung ab, im Gegensatz zum Viertakter, der dazu zwei Umdrehungen benötigt. Zweitaktdiesel haben daher eine höhere Leistungsdichte und ein besseres Leistungsgewicht: Sie können für eine gegebene Leistung leichter gebaut werden, besonders dann, wenn sie, wie heute üblich, »aufgeladen« sind. Dabei verdichtet eine Turbine, die von den Motorabgasen angetrieben wird, die Ansaugluft vor; das Treiböl wird in eine größere Luftmenge eingespritzt; die Leistungsausbeute und der Wirkungsgrad steigen. Kompaktere, mittelschnell laufende Viertaktdiesel haben die langsam laufenden Zweitaktmotoren inzwischen vor allem bei kleineren Schiffen abgelöst. Dank seiner relativ geringen Anlagengröße hat sich der Schiffsdiesel in modernen Schiffen durchgesetzt. Andere Vorzüge gegenüber Dampfturbinenanlagen sind verkürzte Startzeiten — Diesel sind schneller betriebsbereit — und weniger Mannschaftsbedarf im Maschinenraum, ein Faktor, der heute besonders großes Gewicht hat. Moderne Diesel können wachfrei gefahren werden, also fernbedient von der Brückenbesatzung, ohne dass Personal im Maschinenraum anwesend ist.Zur Umsetzung des Drehmoments, das von Turbine oder Diesel geliefert wird, in Antriebsleistung dient in aller Regel die Schiffsschraube. Zur Effizienzsteigerung besitzt sie einen möglichst großen Durchmesser und läuft langsam, mit etwa 80 Umdrehungen pro Minute. Einzelschrauben haben einen höheren Wirkungsgrad als mehrere kleinere Schrauben. Schnell laufende Schrauben können zu einer Kavitation genannten Erscheinung führen, welche die Schraube beschädigen kann und die Leistung beeinträchtigt. Die Geometrie von Schrauben wird heute durch Computer berechnet. Auch die Fertigung erfolgt mit computergesteuerter Präzision. Moderne Schiffsschrauben sind oft auch verstellbar, das heißt, der Stellwinkel der Blätter kann optimal an die Fahrgeschwindigkeit und die Maschinendrehzahl angepasst werden. Es gibt noch eine Reihe von Weiterentwicklungen der klassischen Schiffspropeller. Rohrummantelte, schwenkbare Schrauben, Kort-Düsen genannt, verbessern den Wirkungsgrad und erhöhen die Manövrierfähigkeit. Eine andere Innovation, der Schraubentunnel, hat die Schiffsschraube auch für flache Gewässer tauglich gemacht. Für besondere Anwendungen, etwa den Betrieb kleiner Schiffe in flachem Wasser, baut man Jet-Antriebe, bei denen eine Pumpe das angesaugte Wasser in einem Strahl ausstößt. Ein weiteres Antriebssystem, das sich durch gute Manövrierbarkeit auszeichnet, ist der Voith-Schneider-Propeller, auch Flügelradpropeller genannt. Er findet bei Wassertreckern Anwendung, Schleppbooten von großer Wendigkeit, die sich sogar seitwärts bewegen können.Verbesserte Manövrierbarkeit erlangen größere Schiffe durch das Bugstrahlruder, was besonders im Hafen wichtig ist. Ein elektrisch oder mit Dieselmotor angetriebener, umsteuerbarer Propeller erzeugt in einem Kanal, der quer durch das Vorschiff verläuft, einen kräftigen Wasserstrahl, mit dem sich der Bug des Schiffes punktgenau an den Kai positionieren lässt. Es können so auch Drehungen auf der Stelle ausgeführt werden.Auch für Schaufelräder, mit denen die erste mechanisch angetriebenen Schiffe ausgerüstet waren, gibt es heute noch Marktnischen. Wenn es auf möglichst geringen Tiefgang ankommt, werden manchmal noch Räderschiffe eingesetzt, außerdem noch als Ausflugsschiffe, sofern nostalgisches Flair gefragt ist.Neue SchiffstypenBei neueren Schiffstypen wie Bodeneffektmaschinen, Tragflügelbooten und Hovercrafts verwischt sich die Grenze zwischen Schwimmen und Fliegen. Hovercrafts, zu Deutsch Luftkissenfahrzeuge, sind eine Erfindung aus den späten 1950er-Jahren. Sie schweben auf einem Luftpolster, das von einer Turbine oder einem liegenden Propeller erzeugt und ringsum durch eine Schürze aus elastischem Material aufrechterhalten wird. Angetrieben werden Luftkissenboote durch Propeller oder Strahlturbinen. Hovercrafts sind Amphibienfahrzeuge, sie können sowohl auf Wasser als auch auf ebenem festem Boden fahren und dank der geringen Reibung hohe Geschwindigkeiten erzielen. Sie haben seit den 1960er-Jahren eine gewisse Bedeutung als Fähren auf dem Ärmelkanal bekommen, für den schnellen Personentransport zwischen den französischen und englischen Kanalhäfen. Doch sie haben auch Nachteile: Sie sind wenig kursstabil, laut, verbrauchen viel Energie, und ihre Antriebe sind durch die aufgewirbelte, wieder angesaugte Gischt korrosionsanfällig. An einem modifizierten Typ von Luftkissenfahrzeug wird gearbeitet. Er hat zwei feste Rümpfe und wird aus dem Wasser durch ein dazwischen liegendes Luftkissen herausgehoben. Solche Luftkissenkatamarane mit festen Seitenwänden können durch konventionelle Schiffsschrauben angetrieben werden und sind daher energiesparender und leiser.Einen anderen Weg, die Gleitreibung des Schiffsrumpfes an der Wasseroberfläche zu verringern, beschritt man mit dem Konzept des Tragflügelbootes, auch Hydrofoil genannt. Das Prinzip besteht darin, den Schiffsrumpf auf Stelzen aus dem Wasser herauszuheben, die auf unter Wasser befindlichen Tragflächen stehen. Diese setzen, ebenso wie die Flügel eines Flugzeugs, bei hinreichender Geschwindigkeit die horizontal gerichtete Antriebskraft der Propeller in aufwärts gerichtete Kräfte um. Dazu sind aufgrund der höheren Dichte des Wassers wesentlich kleinere Flächen und geringere Geschwindigkeiten als beim Flugzeug erforderlich. Bereits 1937 wurde ein solches Boot zum Personentransport auf dem Rhein eingesetzt. Der US-Marine gelang es in den 1950er-Jahren, die Form und Anordnung der Tragflügel so zu verbessern, dass sich das Schiff besser steuern lässt und ruhiger fährt.Bodeneffektfluggeräte machen sich den Umstand zunutze, dass ein Objekt, welches in der Luft mit hoher Geschwindigkeit dicht über einer Ebene gleitet, einen wirksameren Auftrieb erfährt als beim Flug in größerer Höhe, da Bodennähe die Umströmung der Tragfläche günstig beeinflusst. Ebenso wie bei Hovercrafts handelt es sich bei diesen Geräten um Amphibienfahrzeuge, die sich sowohl auf dem Wasser als auch auf flachem Festland fortbewegen können. Eine der ersten Maschinen, die den Bodeneffekt ausnutzte und so deutlich Treibstoff sparte, war das knapp über den Wellen fliegende deutsche Flugboot Dornier Do X.Zu neuen Ehren gelangt der Bodeneffekt in den modernen Wing-in-Ground-Maschinen, die zurzeit noch vorwiegend militärisch genutzt werden, in Zukunft aber wohl auch im Sportbereich Beliebtheit erlangen dürften. Ob sich diese modernen Varianten durch technische Verbesserungen auch jenseits ihrer speziellen Anwendungen durchsetzen können, bleibt abzuwarten.Dr. Kurt MöserGrundlegende Informationen finden Sie unter:Seeschifffahrt: Güterverkehr, Personenverkehr, FischereiBinnenschifffahrt: Auf Kanälen, Flüssen und SeenDopatka, Reinhold / Perpeczko, Andrzej: Das Buch vom Schiff. Technik der Seeschiffe in Wort und Bild. Berlin-Ost 31979.Das große Buch der Schiffstypen. Schiffe, Boote, Flöße unter Riemen und Segel, Dampfschiffe, Motorschiffe, Meerestechnik, Beiträge von Alfred Dudszus u. a. Lizenzausgabe Stuttgart 1998.Marshall, Chris: Die große Enzyklopädie der Schiffe. Technische Daten und Geschichte von über 1200 Schiffen. Aus dem Englischen. Erlangen 1995.Nauticus. Schiffahrt, Schiffbau, Marine, Meeresforschung. Herford u. a. 1923-91. 1899-1914 unter dem Titel Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen.Westphal, Gerhard: Lexikon der Schiffahrt. Über 3000 Begriffe von Aalregatta bis Zwischendeck aus Handelsschiffahrt und Segelsport. Reinbek bei Hamburg 1981.
Universal-Lexikon. 2012.